Sagen und Mythen im Bayerischen Wald

Eine Reise in die Welt der Legenden
Der Bayerische Wald ist mehr als nur eine beeindruckende Naturlandschaft – er ist ein Ort voller Geheimnisse und jahrhundertealter Geschichten. Zwischen tiefen Wäldern, nebelverhangenen Tälern und rauen Felsformationen ranken sich zahlreiche Sagen und Mythen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Hier erzählen die Menschen von finsteren Gestalten, die des Nachts durch die Wälder streifen, von verborgenen Schätzen, die nur die Mutigsten finden, und von magischen Wesen, die zwischen den Bäumen leben sollen. Diese Legenden sind nicht nur faszinierende Erzählungen, sondern auch ein Stück Heimatgeschichte, das den Bayerischen Wald mit seiner Mystik und Tradition lebendig hält. Tauchen wir gemeinsam ein in die Welt der Sagen, die unsere Heimat so einzigartig machen.
Der Rachelsee und die Rachelhex
Der Rachelsee, ein abgelegener und friedlicher Bergsee im Bayerischen Wald, hat die Menschen schon immer fasziniert und zugleich in seinen Bann gezogen. Um das ruhige Gewässer ranken sich viele geheimnisvolle Geschichten und Sagen.
Der Rachelsee
Man sagt, der See sei die Heimat von verlorenen Seelen, die nur dann erscheinen, wenn ihre Stille gestört wird. Wer sich zu nah an seinen Rand wagt, soll von der Magie des Sees ergriffen werden. Einige mutige Fischer berichten sogar, sie hätten unheimliche Warnungen gehört, die aus dem See selbst zu kommen schienen: „Wer mein Geheimnis sucht, wird von mir verschlungen!“
Die Rachelhex
Eine der bekanntesten Gestalten, die mit dem See verbunden sind, ist die „Rachelhex“. Diese Sage führt uns zurück in die Zeit der Gräfin Weklin, die in der Nähe des Schlosses Rammelsberg lebte. Sie war berüchtigt für ihre Grausamkeit und ihren Hass gegenüber allen, die sie als weniger wertvoll erachtete. Sie quälte ihre Diener und verschloss ihr Herz gegenüber den Notleidenden. Als sie eines Tages starb, geschah etwas Seltsames: Als ihr Sarg von den Pferden des Fuhrwerks weggebracht werden sollte, weigerte sich der Wagen, sich zu bewegen, egal wie sehr die Tiere zogen. Da stürzten plötzlich Raben herab, und der Sarg wurde so leicht wie eine Feder, als ob er völlig leer wäre.
Nachdem sie beerdigt wurde, beruhigte sich der Spuk im Schloss nicht. In den Nächten geisterte die unruhige Seele der Gräfin durch die Gemäuer von Schloss Rammelsberg. Ihr unaufhörlicher Gesang und ihre klagenden Geräusche erschreckten die Bewohner so sehr, dass sie schließlich einen Geistlichen riefen, um sie zu vertreiben. Dieser bannte Weklin zum Rachelsee. Seitdem wurde sie nicht mehr im Schloss gesehen, doch man sagt, dass sie hoch oben am See in ewiger Unruhe verweilt. Oft soll sie dort in der Dunkelheit zu hören sein – das klagende Geräusch ihrer eisernen Stiefel, die über den Boden kratzen, oder die unerklärlichen Spuren, die sie in stürmischen Nächten hinterlässt.
Es gibt auch Berichte von jungen Männern, die in einer stürmischen Nacht am See gezeltet haben. Der Wind peitschte so stark, dass er das Gebirge erschütterte, und die Nacht war erfüllt von heulendem Sturm. Die Männer konnten kein Auge zutun. Doch als der Sturm ebenso schnell verschwand, wie er gekommen war, kehrte völlige Stille ein. Als sie am nächsten Morgen ihre Zelte abbauten, entdeckten sie die tiefen Abdrücke von Eisenstiefeln rund um ihr Lager. Da zögerten sie nicht, das Zelt zusammenzupacken und das Tal aufzusuchen – mit dem Wissen, wem sie diese furchteinflößende Nacht zu verdanken hatten.
Der Lusen und sein Gipfel
Der Gipfel des Lusen, der von unzähligen Granitfelsen bedeckt ist, hat die Fantasie der Menschen schon immer angeregt und gibt Anlass zu zahlreichen Mythen. Viele Geschichten ranken sich um die Entstehung dieser Felsen – und häufig spielt der Teufel eine entscheidende Rolle.
Der Fels des Teufels
Eine Sage berichtet, dass der Teufel auf seinem Weg ins Tal eine Sammlung von Felsen zusammentrug, um damit eine Kirche zu zerstören, die im Tal gerade im Bau war. Doch als er die Kirchenglocken eines Klosters in der Ferne hörte, stockte ihm der Atem. Schockiert ließ er seine Felsenlast fallen – genau an der Stelle, an der heute der Lusen zu finden ist.
Der versteckte Goldschatz
Eine weitere Erzählung besagt, dass der Teufel an dieser Stelle einen riesigen Goldschatz vergrub, den er vor den Menschen verbergen wollte. Um das Versteck zu tarnen, häufte er große Mengen an Steinen darüber, die heute den Gipfel des Lusens bedecken.
Die Diebe und das Brot
In einer anderen Sage geht es um die Zeit der Säumer, die kostbare Waren über das Gebirge transportierten. Auf ihrer beschwerlichen Reise durch die raue Natur fanden sie weder Unterkunft noch Verpflegung. So richteten die Bäcker aus der Umgebung auf dem Lusen eine „Brotbank“ ein, an der Reisende Brot gegen eine kleine Gebühr erhalten konnten. Doch nicht alle Händler hielten sich an die Regeln, und manche nahmen das Brot, ohne dafür zu zahlen. Diese Diebstähle blieben nicht ungestraft: Der Teufel holte sich die Seelen der Sünder, doch ihre Körper verwandelte er in Stein und ließ sie für immer an Ort und Stelle zurück.
Der Galgen des Lusen
Von den Brotdieben gibt es noch viele weitere Erzählungen. Einige berichten von einem Galgen, der auf dem Lusen errichtet wurde, mit einem Sockel auf bayerischer und einem auf böhmischer Seite. Der Galgen diente als Warnung für alle, die sich an den Brotregeln vergriffen. Wer auf frischer Tat ertappt wurde, erlebte die Strafe sofort. Heute zeugen die „Blauen Säulen“ von dieser Geschichte und markieren gleichzeitig die Grenze zwischen den beiden Ländern.