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Das (S)achte Weltwunder

Das (S)achte Weltwunder

Schwarzenbergischer Schwemmkanal

Die tiefen Wälder des Böhmerwaldes bergen ein heimliches Weltwunder – den Schwarzenbergischen Schwemmkanal

Sanft schlängelt er sich durch den Böhmerwald, als wäre seine Existenz von der Natur gegeben und nicht das Ergebnis einer einzigartigen Ingenieurskunst: Der Schwarzenbergische Schwemmkanal. Über 100 Jahre lang wurden hier etliche Festmeter Holz transportiert – eine Meisterleistung, welcher bis heute der Beiname „Das s(achte) Weltwunder“ anhaftet. Auch wenn der ursprüngliche Nutzen des Schwarzenbergischen Schwemmkanals mittlerweile ausgedient hat, so handelt es sich dennoch um ein einzigartiges Naturdenkmal. Dieses gilt es, bestmöglich zu bewahren. Genau aus diesem Grund wird die Geschichte des Schwemmkanals inmitten des Böhmerwaldes lebendig erzählt – in Form von sogenannten „Schauschwemmen“, welche Jung und Alt beeindrucken. Im oberösterreichischen Oberhaag, nahe der Grenze zu Tschechien, fand an der „Schrollenbachschleuse“ erstmals ein ganzer Erlebnistag statt, welcher sich der Geschichte des Holzschwemmens im Böhmerwald widmete. Doch wie kam es überhaupt zur Entstehung dieses künstlich angelegten Kanals?
Vielleicht haben Sie schon von Josef Rosenauer gehört – denn dieser Name ist untrennbar mit dem Schwemmkanal verbunden. Im Jahr 1774 präsentierte der junge Forstingenieur seinem Arbeitgeber Fürst Schwarzenberg eine schier unmögliche Idee: Er wollte einen Wasserweg mit 0,2 Prozent Gefälle bauen und durch ein ausgeklügeltes System zwischen Bächen, Durchlässen und Schleusen Holz von den nördlichen Hängen des Böhmerwaldes transportieren. Die Nachfrage nach dem Rohstoff war in den rasch wachsenden Städten, allen voran der damaligen Reichshauptstadt Wien, enorm. Daher die Idee Rosenauers: Das Holz sollte auf dem Wasserweg direkt aus dem Wald bis in die Städte gelangen. Der Gedanke an einen künstlich angelegten Wasserweg in dem unwegsamen Gelände erntete anfangs mehr Häme und Spott als ernsthaftes Interesse. Rosenauer beharrte jedoch auf seiner Idee, bis Fürst Schwarzenberg der Schaffung des Kanals zustimmte.

Eine architektonische Meisterleistung inmitten des unwegsamen Böhmerwaldes

In den Jahren 1789-1793 errichteten mehr als 1000 Arbeiter den „Alten Kanal“ von Hirschbergen bis zur Großen Mühl, welcher am Rosenhügel die „Europäische Wasserscheide“ zwischen Elbe und Donau überschreitet. Die Länge des Kanals beträgt 39,5 Kilometer, er mündet bei Haslach in die Große Mühl. An der Donau angelangt, wurden die Scheiter auf Schiffe oder Flöße verladen und acht Tage später erreichten sie Wien. Insgesamt errichteten die Arbeiter auf der Strecke 87 Brücken, 157 Wasserdurchlässe, 22 Schleusen und 20 Steinwehren – und das alles in unwegsamem Gelände.
Der sogenannte „Neue Kanal“ entstand nach Rosenauers Tod. Ernst Mayer folgte diesem als Schwemmdirektor und er ließ von 1821-1823 die knapp 12 Kilometer lange Strecke von Lichtwasser bis Hirschbergen bauen. Insbesondere der 419 Meter lange Tunnel stellt ein architektonisches Meisterwerk dar – inmitten des Böhmerwaldes wurde der erste Tunnel Mitteleuropas gebaut! Insgesamt erstreckte sich der Schwemmkanal über 51,5 Kilometer. Der optimale Wasserstand zum Schwemmen betrug 80 Zentimeter.

Das harte Leben der Schwemmer

Die Schwemmer waren meist rund um die Uhr im Einsatz. Pro Saison wurden mindestens 40.000 Kubikmeter, maximal sogar bis zu 130.000 Kubikmeter Holz geschwemmt. Um dies zu bewerkstelligen, waren die Arbeiter das ganze Jahr über im Einsatz. Im Sommer und Herbst fanden die Forstarbeiten im Wald statt, im Winter wurde das Holz mit Schlitten zum Kanal gefahren. Ab März/April, abhängig von der Schneeschmelze, wurde bis in den Sommer hinein geschwemmt – und dann ging der Kreislauf wieder von vorne los.
Entlang des Schwemmkanals waren hauptsächlich Frauen und Kinder im Alter von 10-16 Jahren im Einsatz. Die Männer waren dafür zuständig, für Holznachschub zu sorgen. Die Arbeiter entlang des Schwemmkanals verrichteten schwere, körperliche Arbeit unter teils gefährlichen und widrigen Bedingungen. Die Notwendigkeit des Kanals endete schließlich mit der Eisenbahn, welche Kohle aus Schlesien transportierte. Diese war billiger als das Holz aus dem Böhmerwald und machte den Schwemmkanal überflüssig. Im Laufe der Jahre war der Kanal einem natürlichen Verfall ausgeliefert – erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs rückte er Anfang der 90er Jahre wieder in das Blickfeld des neuen Europa.
Kulturgut hautnah erleben
Zur Erhaltung des Kulturerbes im Böhmerwald hat sich der „Verein Schwarzenbergischer Schwemmkanal“ gegründet. Dieser sorgt zum einen dafür, dass der Kanal saniert wird. Im Rahmen einiger europäischer INTERREG-Projekte wurden Teilstücke wieder instandgesetzt. Zum anderen ist der Verein auch Veranstalter der Schauschwemmen. Oberschwemmmeister Gerhard Stockinger erklärt dem interessierten Publikum dabei, wie die Arbeit früher ablief. Anschließend wird das Schwemmen vorgeführt – mitmachen ist hier erwünscht! Zudem wird ein tolles Rahmenprogramm für die ganze Familie geboten – samt musikalischer Einlagen und kulinarischer Verpflegung am Schwemmkanal! Ein einzigartiges Spektakel und kulturelles Erbe, das man auf jeden Fall gesehen haben sollte.
Am Mittwoch, 02. August findet die nächste Schauschwemme an der Schrollenbachschleuse bei Aigen-Schlägl statt. Eine weitere Schwemme findet am Samstag, 02. September in Oberhaag/Iglbach statt. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.boehmerwald.at/schwarzenbergischer-schwemmkanal.html.

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